Die hier dargestellten Biografien waren Grundlage für die Ausstellung „Ich muss täglich mit der Überführung in ein KZ rechnen“, die in der Volkshochschule Region Kassel und im Orbit gezeigt wurde. Konzipiert und gestaltet von der AG Geschichte der Initiative Gedenkort Polizeipräsidium Königstor e.V. geben sie Frauen und Männern ein Gesicht, die durch die Haftzellen der dortigen nordhessischen Gestapozentrale gegangen sind.

Friedrich Altenhein

Friedrich Altenhein, genannt Fritz, wuchs mit neun Geschwistern als Sohn eines Schmiedemeisters in Asel auf. Seit 1921 arbeitete er als Schlosser in Korbach, heiratete dort Minna Strohmann und bekam mit ihr drei Kinder.

1926 trat er der KPD bei, war bis zur Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 Stadtverordneter in Korbach und wirkte im Widerstand weiter. Im Februar 1937 verhaftete ihn die Gestapo. Er wurde im Polizeipräsidium Kassel im Königstor verhört, gefoltert und vom Oberlandesgericht Kassel wegen „Vorbereitung zum Hoch- und Landesverrat“ zu einem dreijährigen Freiheitsentzug im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden verurteilt.

Im Februar 1940 erfolgte seine Verlegung als „Reichsfeind“ in das KZ Sachsenhausen, wo er unter unmenschlichen Bedingungen bis zum Kriegsende überlebte und von der Roten Armee gerettet wurde.
1946 kehrte er zurück. Die Zeit im KZ hatte ihn seelisch und körperlich zermürbt. Er konnte nicht mehr arbeiten; wenig später zerbrach seine Ehe. Fritz Altenhein verstarb mit 85 Jahren in Korbach.
(Ruth Altenhain)

Kurt Finkenstein (1893 – 1944)

Kurt Finkenstein wurde 1893 als Sohn eines deutschen Offiziers in Straßburg geboren. Seine Mutter war Jüdin. Er nahm 1914 bis 1918 als Soldat am Weltkrieg teil. Diese Kriegserfahrung machte ihn zum Pazifisten und zum entschiedenen politischen Gegner des Kaiserreichs.

Er wurde Mitglied der USPD, dann der KPD. Während der ersten Welle nationalsozialistischen Terrors wurde er verhaftet. Mehr als sieben Wochen befand er sich im Polizeigefängnis am Königstor. Am 16. Juni 1933 wurde er in das Konzentrationslager Breitenau in Guxhagen überführt, wo er am 8. August 1933 entlassen wurde. Nach einer Verhaftung am 23. Juli 1935 wurde er erneut – etwa acht Wochen lang – im Polizeipräsidium im Königstor festgehalten, bevor er in die Untersuchungshaftanstalt in der Leipziger Straße 11 verlegt wurde. Das Oberlandesgericht Kassel verurteilte ihn wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ zu 7 Jahren und 6 Monaten Zuchthaus, die er im Zuchthaus Kassel-Wehlheiden durchstand. Vom 9. November 1943 an bis zum 13. November 1943, der erneuten Einweisung in das Gestapo-Straflager Breitenau, war er zum dritten Mal im Polizeigefängnis in Kassel eingesperrt.

Am 8. Januar 1944 wurde er von Breitenau aus in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Am 29. Januar 1944 endete dort sein Leben.
(Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Justus Krug (1887 – 1935)

Justus Krug wurde 1887 in Wahlershausen geboren. Seit einem schweren Unfall betrieb er als Pächter einen Kiosk am Hauptbahnhof. Justus Krug war Mitglied der KPD und der Kiosk wurde in den ersten Jahren der NS-Herrschaft Anlaufpunkt für Kuriere und Verteilstelle von illegalem Material. Im Juli 1935 wurde er bei einer Aktion der Gestapo gemeinsam mit Ernst und Paula Lohagen sowie Kurt Finkenstein verhaftet und in das Polizeipräsidium Kassel verbracht, wo die Verhöre stattfanden. Dabei wurde er furchtbar misshandelt. Am 7. Oktober 1935 teilte der Polizeipräsident mit, dass der „Invalide Justus Krug (…) zu Kassel, Königstor 31 am fünften Oktober des Jahres tausend neunhundert fünfunddreißig nachmittags um vier Uhr tot aufgefunden worden sei …“ Diese Formulierung stammt aus der Sterbeurkunde.

Im Entschädigungsverfahren heißt es im Bescheid des Regierungspräsidenten
von 1957: „Der Verfolgte … ist durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen vorsätzlich oder leichtfertig getötet oder in den Tod getrieben worden.“ Für Justus Krug liegt in Kassel ein Stolperstein. (Jochen Boczkowski)

Paula Lohagen (1897 – 1942)

Paula Lohagen, geborene Niewöhner, wurde in eine Arbeiterfamilie in Herford hineingeboren. Schon früh musste sie arbeiten gehen und engagierte sich in der sozialistischen Jugendbewegung im Ruhrgebiet. Hier bekam sie sehr bald eine führende Position und wurde zur Mitbegründerin des Kommunistischen Jugendverbandes. 1920 trat sie der Kommunistischen Partei Deutschlands bei. Wann sie nach Kassel gekommen ist, ist nicht bekannt. Bei ihrer Arbeit in der KPD lernte Paula Niewöhner
Ernst Lohagen kennen. Die beiden heirateten im Juli 1922. 1926 wurde sie Mitglied der Bezirksleitung der KPD in Kurhessen-Waldeck.

1935 wurden Ernst und Paula gemeinsam verhaftet. Als Grund wurde Vorbereitung zum Hochverrat angegeben. Nach einiger Zeit im Polizeipräsidium kam Paula ins Frauengefängnis Ziegenhain.
Zum Todesdatum gibt es widersprüchliche Angaben, wahrscheinlich ist, dass Paula Lohagen am 25. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden ist. Dies geht aus einer Liste in den Arolsen Archives hervor.
(Dr. Bettina Dodenhoeft)

Sara Nussbaum (1868 – 1956)

Sara Nussbaum, geborene Rothschild, war seit 1891 verheiratet mit Rudolph Nussbaum, mit dem sie drei Kinder bekam. Rudolph betrieb ein gut gehendes Möbelgeschäft in der Schäfergasse, dort besaß er auch ein Wohnhaus. Am 28. April 1933 drangen SA-Männer in dieses Wohnhaus ein und nahm Sara fest. Mit einem Lastwagen wurde sie zum Polizeipräsidium am Königstor gefahren. Sara Nussbaum verbrachte ungefähr 14 Tage im dortigen Gefängnis. 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Dort arbeitete sie als Krankenschwester.

Sara Nussbaum konnte im Februar 1945 dem Ghetto Theresienstadt durch einen Transport in die Schweiz entkommen. Fast sechs Monate blieb sie dort und konnte sich von den erlittenen Strapazen der letzten Jahre erholen. Nachdem es ihr besser ging, zog es sie zurück nach Kassel, wo sie die meiste Zeit ihres Lebens verbracht hatte. Hier lebte sie bis zu ihrem Tod im Dezember 1956. Im Juni erlebte sie noch, dass ihr die Ehrenbürgerschaft der Stadt Kassel verliehen wurde.
(Dr. Bettina Dodenhoeft)

Wilhelm Pfannkuch (1881 – 1952)

Wilhelm Pfannkuch war mit anderen Einwohnern Gründer der SPD in Heiligenrode 1910. Bei der Gemeindewahl 1919 wurde er zum Bürgermeister gewählt. 14 Jahre war er Bürgermeister von Heiligenrode, dann wurde er 1933 zuerst von den Nationalsozialisten zusammengeschlagen und später verhaftet. Vom Polizeipräsidium aus wurde er nach Breitenau gebracht, wo er von Juni bis Anfang Oktober 1933 bleiben musste. Nach der Entlassung kehrte er zurück in sein Heimatdorf. Hier lebte er zurückgezogen und sehr bescheiden, da er und seine Frau keinerlei Unterstützung erhielten.

1944 wurde er erneut verhaftet – vermutlich im Zusammenhang mit dem Attentat im Juli. In Sachsenhausen blieb er einige Wochen und wurde im Oktober wieder entlassen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Pfannkuch von der amerikanischen Militärregierung wieder als Bürgermeister eingesetzt. Für seine Haft in Breitenau und Sachsenhausen erhielt er 1951 eine Entschädigung in Höhe von 600 Mark.
(Dr. Bettina Dodenhoeft)

Karl-August Quer (1891 – 1962)

Karl-August Quer ist in Eltmannshausen als Sohn des Bahnarbeiters Friedrich Quer und seiner Frau Anna, geboren. Nach Aufnahme seiner Lehrertägigkeit 1919 in Ippinghausen begann Karl August Quer seine politisch aktive Arbeit für die Lehrergewerkschaft und die SPD, der er 1922 beitrat. 1923 wechselte er an die Bürgerschule 7 in Kassel. Von 1924 bis zur Ende der Wahlperiode im März 1933 war er Stadtverordneter in Kassel, wobei er mit der Sozialistischen Arbeiterpartei sympathisierte. Mit Kurt Finkenstein war er befreundet.

Die Tätigkeit als Gauführer des „Reichbanners Schwarz- Rot-Gold“ (Gau Kurhessen) endete 1931. 1933 wurde er aus dem Schuldienst entlassen. Nach einer Haftzeit im Polizeipräsidium Kassel wurde er am 16. Juni 1933 in das KZ Breitenau eingeliefert, dort nach wenigen Wochen entlassen und anschließend unter Polizeiaufsicht gestellt. Bis 1944 war er Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, z. B. einer Kriegsdienstverpflichtung in einer Munitionsfabrik, ständigen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen.

Nach dem Krieg übernahm er wieder eine Volksschullehrerstelle in Hemfurth und wurde später Kreisschulrat in Witzenhausen.
(Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Otto Reinhold (1890 – 1971)

Pfarrer Reinhold war schon früh ein Gegner des Nationalsozialismus. Von Seiten der Gestapo wurde er mehrfach überwacht. Zahlreiche Konflikte nahm er in Kauf, um gegenüber der Hitlerjugend seine kirchliche Jugendarbeit fortzusetzen. Die Gestapo hatte bei einer der zahlreichen Hausdurchsuchungen bei Pfarrer Zimmermann im Jahre 1941 ein langes Gedicht von ihm gefunden. Das Gedicht trug den Titel „Prolog des Satans zu dem Spiel, das er auf Erden jetzt beginnt“. Mit dem Satan war Hitler
gemeint. Die letzte Strophe begann mit den Zeilen:

Der Herrgott spricht: Lasst ihn gewähren, es hat nicht Not,
Er schleicht und wühlt und siegt sich tot.
Er kann nicht schaffen, er kann nur machen,
um über sein Werk sich tot zu lachen;
kann Kulissen bauen und Schöpfung zerstören
Es wird meine Welt doch mir gehören.


Reinhold kam am 17. Mai 1941 in das Polizeigefängnis in Kassel am Königstor. Am 11. Juli 1941 wurde er in das Konzentrationslager Breitenau gebracht.

2023 ehrte die Kirchengemeinde Crumbach Pfarrer Reinhold mit einem Gottesdienst und einer Erinnerungstafel an der Dorfkirche.
(Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)

Friedrich Schmidt

Friedrich Schmidt wurde in Hannoversch-Münden geboren und zog 1925 nach Kassel. Als Mitglied des KJVD und der KPD arbeitete er ab 1928 als Redakteur der KPD-Zeitung „Neue Arbeiter-Zeitung“. Trotz NS-Terrors wurde Fritz Schmidt an 12. März1933 für die KPD ins Stadtparlament gewählt. Das Mandat wurde jedoch annulliert. Verraten durch einen Spitzel, wurde er am 27. März von der Gestapo verhaftet und ins Polizeipräsidium gebracht, wo er verhört und misshandelt wurde. Anfang April1933 kam er in das KZ Sonnenburg. Zurück in Kassel wurde er 1934 zu Bauarbeiten dienstverpflichtet. Im Februar 1936 erneut verhaftet, lautete das Urteil 1937 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ Haft in Kassel-Wehlheiden. Nach Ende der Haftzeit wurde er im Oktober 1941 in das KZ Sachsenhausen überstellt. Im Mai 1945 wurde er befreit.

Schmidt war politischer Sekretär der KPD bis zum Parteiverbot 1956. Politisch engagierte er sich bis zu seinem Tod in der Kasseler Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) und war als Zeitzeuge unterwegs.
(Dr. Ulrich Schneider)

Hans Zimmermann (1896 – 1966)

Hans Zimmermann stammte aus Schlüchtern und war seit 1929 Gemeindepfarrerin Mottgers (heute Main-Kinzig-Kreis). Er gehörte der Bekennenden Kirche an und stand von Anfang an in entschiedenem Kampf gegen die NSDAP und die „Deutschen Christen“. Seit 1936 war er Pfarrer in Bettenhausen. Er wurde am 17. Mai 1941 gemeinsam mit Pfarrer Reinhold verhaftet und kam zunächst in das Polizeigefängnis
am Königstor. Anlass für die Verhaftung war die Tatsache, dass die Polizei bei der Untersuchung Pfarrer Zimmermanns das von Pfarrer Otto Reinhold verfasste Gedicht „Prolog des Satans zu dem Spiel, das er jetzt auf Erden beginnt“ aus den Jahren 1933/34 fand.

Im Polizeigefängnis Zelle 99 verfasste Zimmermann das Kirchenlied „Die Nacht ist vorgerücket“. Pfarrer Zimmermann wurde gemeinsam mit Pfarrer Reinhold und Pfarrer Robert Lutze am 11. Juli 1941 als Schutzhaftgefangener in das Lager Breitenau gebracht. Ein Amtsbruder von ihm berichtete, dass er in seinen letzten Lebensjahren immer mehr gequält wurde von dem Gedanken der Schuld der Kirchen im Dritten Reich, für die die Anklage Hochhuths gegen Pius XII. für ihn ein Vorbild war.
(Prof. Dr. Dietfrid Krause-Vilmar)