1933

31. Januar 
Nachdem am Vortag Reichspräsident Paul von Hindenburg den Führer der Nationalsozialisten, Adolf Hitler, zum Reichskanzler ernannt hat, feiern dies die Kasseler Anhänger mit einem Fackelzug vom Friedrichsplatz zur Stadthalle. Gegendemonstranten werden verprügelt, die Polizei greift nicht ein.

1. März 
Die an die Macht gelangten Nationalsozialisten gehen auch in Kassel radikal und vielfach mit Brachialgewalt gegen Demokraten vor. Die sozialdemokratische Tageszeitung „Kasseler Volksblatt“ wird verboten. Einige Tage darauf werden Gewerkschaftshaus und Rathaus von NS‐Horden „gestürmt“, der Oberbürgermeister abgesetzt und politische Gegner verprügelt und gefoltert.

31.März 
Rechtsanwalt Dr. Max Plaut stirbt an den eine Woche zuvor in den Kellergewölben der Gaststätte „Bürgersäle“ erlittenen Misshandlungen.

1. April 
In Kassel kommt es wie auch andernorts erstmals zu zentral organisierten Boykottmaßnahmen gegen Ladengeschäfte mit jüdischen Inhabern.

Im gleichen Jahr: 
Die Henschel & Sohn AG erhält den Entwicklungsauftrag für ein leicht gepanzertes Kettenfahrzeug. 

1934

Im Juli beginnen die Henschel‐Werke mit der Produktion von 150 leichten Panzerkampfwagen des Typs I.

19. August 
Nach dem Tod Hindenburgs gehen die Befugnisse des Reichspräsidenten auf den „Führer und Reichskanzler Adolf Hitler“ über. Die Volksbefragung dazu ergibt in Kassel 118.837 Ja‐Stimmen und 2724 Nein‐Stimmen. 
Gerhard Fieseler, der im gleichen Jahr Kunstflugweltmeister wird, erhält Aufträge vom Reichsluftfahrtministerium. Neben Zivilflugzeugen soll die Firma einen Sturzkampfbomber entwickeln. Sein Werk entwickelt sich zum Großbetrieb.

1935

6. bis 7. Juli 
Der erste Reichskriegertag führt nahezu 200 000 Menschen nach Kassel.

1936


Im Juli wird die Henschel Flugmotoren GmbH (HFM) gegründet, die im Jahr darauf die Produktion von Daimler‐Benz‐Motoren in Altenbauna aufnimmt.

1938

11. Mai 
Am Schlieffenplatz wird das neue Wehrkreisdienstgebäude („Generalkommando“ heute Bundessozialgericht) eingeweiht.

7. November 
In den Abendstunden versammeln sich Nazi‐Fanatiker in der Unteren Königsstraße, dringen in die Synagoge ein und demolieren Inventar und Gebäude, Vorboten eines deutschlandweiten Pogroms, der sogenannten Reichskristallnacht am 9. November.

12. November 
Wenige Tage nach der sogenannten Reichskristallnacht ergeht eine „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“. Sie verfügt die Schließung der von Juden betriebenen Einzelhandelsverkaufsstellen und Handwerksbetriebe bis zum Jahresende. Diese und eine weitere Verordnung führen dazu, dass die noch verbliebenen Juden zur Erwerbslosigkeit verurteilt sind und nur noch von ihrem Kapital, von Renten oder Unterstützungen leben können.

Im gleichen Jahr liefert Henschel & Sohn den ersten in Serie gebauten Panzerkraftwagen an die deutsche Wehrmacht.  Die Fieseler‐Flugzeugwerke, bei denen mittlerweile 5300 Arbeitskräfte beschäftigt sind, werden als „NS‐Musterbetrieb“ ausgezeichnet.

1939

3. bis 5. Juni 
Über 200.000 ehemalige Soldaten und Angehörige der Deutschen Wehrmacht kommen nach Kassel, um das militärische Spektakel des „Großdeutschen Reichskriegertags 1939“ zu erleben, das von der Reichskriegertag GmbH und dem Kasseler Verkehrsverein organisiert wird.

1. September 
Als in den Morgenstunden bekannt wird, dass Deutschland sich im Krieg befindet, nimmt dies die Kasseler Bevölkerung ruhig, beinahe gelassen hin.

2. September 
Verdunkelung wird angeordnet: „Täglich von Einbruch der Dunkelheit bis zum Hellwerden als Dauerzustand“. Lebensmittel sind nur noch für den persönlichen Bedarf gegen Vorlage eines Berechtigungsscheines erhältlich. 
Aus den Wirtschaftsbetrieben werden Mitarbeiter zum Kriegsdienst eingezogen, zum Beispiel schon Anfang September bei der Spinnfaser AG 300 Beschäftigte. In einigen Abteilungen wird dort die Arbeitszeit auf 12 Stunden erhöht. 
Die Firma Credé & Co. stellt verstärkt Waggons für die Deutsche Reichsbahn sowie Lkw‐Aufbauten für die Wehrmacht her.

12. Oktober 
An die Firma Wegmann & Co. ergeht der Führerbefehl, „unter Zurückstellung von Fertigungsprogrammen für andere Wehrmachtteile, die Reparatur von Panzern der Ostfront vorzunehmen“ 
In diesem Jahr hat die Firma Henschel & Sohn 650 Lokomotiven, 2700 mittlere und schwere Lkw und 210 Panzer gefertigt. Sie beginnt mit der Herstellung von elektrischen Oberleitungsbussen.

1940

22. Juni 
Erster Angriff der britischen Royal Air Force auf Kasseler Stadtgebiet. Er gilt dem Flughafen Waldau und richtet geringfügigen Schaden an.

3. August 
Die Junkers Flugzeug‐ und Motorenwerke AG erwerben Industriegelände in Bettenhausen und errichten ein Zweigwerk zur Herstellung von Zubehörteilen für Flugzeugmotoren. Später werden komplette Flugzeugmotoren in Serie gefertigt.

16. August 
In der Nacht zum 17. August wirft ein britisches Bombengeschwader zwei Bomben ab. Sie treffen die Häuser Gräfestraße 2, 4 und 6. Zwei Menschen kommen um, da sie nicht in den Luftschutzkeller gegangen sind.

Im August sind bei Henschel in Kassel und Altenbauna 300 Kriegsgefangene als Zwangsarbeiter eingesetzt. Die Zahl der Zwangsarbeiter steigt bis Ende 1944 in Kassel insgesamt auf ungefähr 25 000. Sie werden aus den besetzten Gebieten in Ost und West, aus Polen, Russland, Holland, Frankreich und anderen Ländern, herangeschafft.

1941

8. September 
In der Nacht zum 9. September fliegen 73 britische Bomber nach Kassel mit dem Angriffsziel: Industrieanlagen von Henschel & Sohn und Credé & Co. Sie treffen verschiedene Teile des Stadtgebiets, darunter das Museum Fridericianum mit der Landesbibliothek und das Rote Palais. Beide Gebäude mit ihren wertvollen Büchern und Kunstschätzen brennen aus.

9. Dezember 
Etwa 1000 Juden aus Nordhessen (Kinder, Männer und Frauen, einige von ihnen über 70 Jahre alt) werden in das Ghetto Riga abtransportiert. Nur wenige werden überleben.

1942

Mai 
Mitte Mai werden etwa 500 Juden aus Nordhessen von Kassel aus in das Konzentrationslager Majdanek bei Lublin deportiert. Kaum jemand wird überleben.

5. Juni 
Die Fieseler‐Werke bekommen vom Reichsluftfahrtministerium den Auftrag, ein „Ferngeschoß in Flugzeugform“ zu entwickeln. Die entwickelte Fliegerbombe Fi 103 wird später als V1 sehr bekannt. Im August läuft die Serienproduktion des schweren Panzerkampfwagens „Tiger“ bei den Henschel‐Werken an. Der Kraftfahrzeugbau wird in diesem Jahr nach Wien verlegt.

7. September 
Ungefähr 1000 Juden aus Nordhessen werden in das Konzentrationslager Theresienstadt abtransportiert. Nur ganz wenige werden überleben.

1943

17. Mai 
Im Laufe des Vormittags erreicht eine Flutwelle ungeheuren Ausmaßes das Stadtgebiet, nachdem es den Briten gelungen ist, durch Abwurf von Spezialminen ein Loch in die Edertalsperre zu sprengen.

28. Juli 
Der erste Angriff der United States Army Air Force (USAAF) auf Kassel gilt einem Betrieb der Rüstungsindustrie, den Fieseler‐Flugzeugwerken in Bettenhausen und Waldau. Die Hauptmasse der Bomben fällt jedoch auf die benachbarte Spinnfaser AG und Wohngebiete in Bettenhausen.

30. Juli 
Erneuter Angriff der USAAF auf die Bettenhäuser Industrieviertel.

3. Oktober 
Mit fast 500 Flugzeugen fliegt die Royal Air Force die Stadt an. Fehler bei der Zielmarkierung führen dazu, dass die tödliche Bombenfracht nicht die Altstadt, sondern Teile der Nordstadt, Wolfsanger, Sandershausen und Bettenhausen trifft.

22. Oktober 
Der erneute Angriff der Royal Air Force verfehlt sein Ziel nicht. Ungefähr 10.000 Menschen verlieren an diesem Abend auf schreckliche Weise ihr Leben. Die Innenstadt, und damit auch das Hauptgeschäftsviertel, ist vollständig zerstört. Zerstört oder schwer beschädigt sind sämtliche Industriebetriebe, Versorgungsbetriebe und Verkehrsanlagen.

1944

19. April 
Die US‐Luftwaffe fliegt mit 213 Bombern einen Angriff auf die wieder instandgesetzten Rüstungswerke Fieseler, Henschel‐Flugmotoren und Junkers.

30. Dezember 
Der letzte Luftangriff dieses Jahres gilt dem Verschiebebahnhof Rothenditmold. Der Angriff erfolgt mit Radar durch eine geschlossene Wolkendecke. Dabei wird das gesamte Stadtgebiet getroffen.

Im gleichen Jahr: 
Im Werk Kassel der Junkers Flugzeug‐ und Motorenwerke werden unter anderem Zubehörteile für den ersten einsatzfähigen Düsenjäger der Welt, die von Messerschmitt entwickelte Me 262, gefertigt. 
Henschel produziert den schweren Kampfpanzer Tiger II („Königstiger“) in Serie.

1945

1. Januar: Schwerer Luftangriff auf Eisenbahnanlagen und Rüstungsbetriebe. Erstmals fallen etwa 700 Bomben mit Langzeitzünder.

29. Januar 
Der Mitteltrakt des Schlosses Wilhelmshöhe geht nach einem Luftangriff in Flammen auf.

21. März 
Tonnen von Spreng‐ und Brandbomben gehen auf Kassel nieder. Die Chronisten verzeichnen, dass es der 40. Luftangriff auf Kassel ist. Nach Kriegsende werden sie vermerken, dass es der letzte war.

31. März 
Auf einem Feld in der Nähe des Wilhelmshöher Bahnhofs werden durch ein Kommando der Sicherheitspolizei 78 Menschen ohne Gerichtsverfahren um ihr Leben gebracht. Es sind italienische Zwangsarbeiter, denen vorgeworfen wird, einen am Bahnhof stehenden Wehrmachtszug mit Lebensmitteln geplündert zu haben, obwohl sie lediglich Deutschen gefolgt waren, die den Zug bereits erbrochen und geplündert hatten.

1. April 
Um den US‐Truppen den Vormarsch zu erschweren, wird die Fuldabrücke von abziehenden deutschen Einheiten gesprengt. Die Sprengung der Hafenbrücke kann verhindert werden.

2. April 
Bis zum 5. April erobern US‐Truppen das gesamte Stadtgebiet, als letztes den Stadtteil Bettenhausen.

Auszug aus der Kasseler Chronik von 1933 bis 1945 auf der Website der Stadt Kassel:

https://www.kassel.de/buerger/stadtgeschichte/chronik/inhaltsseiten/chronik-der-jahre-1933-1945.php